Mit Functional Nutrition sehen wir Nahrung heute als "Fuel", also als Treibstoff, der unsere Systeme antreibt. Nachdem wir Dysbalancen in den körpereigenen Systemen identifiziert haben, können wir diese mit Functional Nutrition wieder ins Gleichgewicht bringen. Die oberste Ebene der personalisierten Ernährung stellt dabei die Epigenetik dar. Mit dem Wissen, welche Nährstoffe welche Gene steuern, können wir in die Genetik eines jeden Einzelnen eingreifen und diese optimieren.
Functional Nutrition
Die Philosophie in der funktionellen Ernährung unterstreicht unser bei Geburt entwickeltes maximales Potential für Gesundheit und Leistungsfähigkeit und entfernt sich von dem Gedanken „Was muss ich zuführen, um besser oder gesünder zu werden“. Vielmehr geht es darum Dysbalancen, die unsere Gesundheit bzw. Leistungsfähigkeit einschränken, in den körpereigenen Systemen zu identifizieren, als auch zu optimieren. Der Fokus liegt dabei auf den Verdauungs-, Hormon- und Entgiftungssystemen. Die Epigenetik liefert dann auf dem obersten Level der personalisierten Ernährung die nötigen Informationen, um anhand der (epi)-genetischen Voraussetzungen Ernährungsempfehlungen zu individualisieren.
Epigenetik
Die Vorsilbe Epi kommt aus dem griechischen und bedeutet Auf. Die Epigenetik beschreibt all das was auf, bzw. um die Gene herum passiert, und die Genexpression beeinflusst. Hingegen dem heutigen Wissensstand der Epigenetik, war man früher der festen Überzeugung, dass unsere Gene ein festes und unveränderbares Konstrukt sind. „Das ist genetisch bedingt“ ist eine Aussage, die wir alle kennen. Nun heute wissen wir allerdings, dass Gene bzw. die Genexpression maximal veränderbar ist und zwar durch die Epigenetik.
Epigenetische Marker
Wir unterschieden heute das sog. Genom und das Epigenom. Während das Genom die Gesamtheit unserer Gene beschreibt, unser Erbgut auf unserer DNA, die allbekannte Doppelhelix, wird das Epigenom beschrieben durch sog. epigenetische Marker, die auf unserer DNA sitzen und die Genexpression steuern. Vergleichbar mit einer Software (Epigenom), die die Hardware (Genom) bedient. Diese epigenetischen Marker sind dafür verantwortlich, dass manche Gene an- oder abgeschaltet sind, als auch dafür, dass unterschiedliche Zellen, wie Muskel oder Nervenzelle unterschiedlich aussehen, obwohl sie das gleiche Genom aufweisen. Ausserdem liefern diese epigenetischen Marker auch die Erklärung dafür, warum eine Raupe und ein Schmetterling das gleiche Genom besitzen, jedoch ein unterschiedliches Epigenom, das deren Phänotyp, also das unterschiedliche Aussehen bestimmt. Gene, die mit den unterschiedlichsten Krankheiten in Verbindung stehen, wie Fettleibigkeit oder sogar Krebs wollen wir natürlich abgeschaltete haben.
Nutrigenomik
Wie können nun diese epigenetischen Marker gesetzt werden? Die Antwort ist einfach, unser Lifestyle. D.h. durch Umweltgifte, Medikamente, unser Mikrobiom, Stress und vor allem Ernährung. Die sog. Nutrigenomik befasst sich damit, wie epigenetische Nährstoffe bzw. EPI-Nährstoffe unsere Gene steuern, also an- und abschalten und dabei unterscheiden wir zwischen Methylspendern und nutrigenomischen Modulatoren.
Methylspender
Methylspender sind unser Royal Jelly. Ähnlich wie bei der Entwicklung einer Bienenkönigin, die als Larve von den Arbeiterbienen mit Royal Jelly gefüttert wird und dadurch einen größeren Abdomen und Eierstöcke entwickelt und somit einen völlig anderen Phänotyp, als die Arbeiterbienen, haben wir Menschen auch unser Royal Jelly und zwar in Form von Methylspendern. Diese EPI-Nähstoffe liefern uns die Basis, um unseren Körper mit Methylgruppen zu versorgen. Diese Methylgruppen sind essentiell für die Bildung von Creatin und Phosphatidylcolin, das entscheidend ist für unsere Zellmembran. Zudem benötigen wir Methylgruppen, um Neurotransmitter zu produzieren und abzutransportieren, Hormone auszuscheiden, zu entgiften, das Immunsystem zu unterstützen und unsere DNA zu reparieren und eben Methylgruppen in Form der sog. DNA Methylierung auf unsere Genen zu setzen. Eine methylarme Ernährung in der Schwangerschaft steht z.B. in Verbindung damit, dass der heranwachsende Fötus in den späteren Jahren Insulinresistenz bzw. Diabetes entwickeln kann. Methylgruppen sind also maximal wichtig und wir brauchen viele davon.
EPI-Nährstoffe Lebensmittel
Methionin Sesamsamen, Fisch, Paprika, Spinat, Paranüsse
Folat blättriges Gemüse, Sonnenblumenkerne, Leber
Vitamin B12 Fleisch, Leber, Meeresfrüchte, Milch
Vitamin B6 Fleisch, Vollkornprodukte, Gemüse, Nüsse
SAMe in Nahrungsergänzungsmittel
Cholin Eigelb, Leber, Soja, gekochtes Rind, Huhn, Kalb und Truthahn Betain Weizen, Spinat, Meeresfrüchte, Zuckerrüben
Nutrigenomische Modulatoren
Anderes als unser Royal Jelly liefern die sog. nutrigenomischen Modulatoren direkt Informationen an unsere Gene. Das bedeutet diese Nährstoffe führen dazu, dass unsere Gene mit Informationen beschrieben werden bzw. Informationen gelöscht werden, sich die Genexpression sozusagen direkt verändern kann. Einige dieser EPI-Nährstoffe sind unten aufgeführt, mein Favorit ist Sulforaphan, ein Nährstoff, der durch die Reaktion zweier Bestandteile aus Kreuzblütlern, wie z.B. Brokkoli, Kohl oder Sprossen entsteht. Sulforaphan liefert nicht nur wichtige Informationen an unsere Gene, sondern gilt zudem als starker Detox Nährstoff. Wer Sulforaphan genießen möchte, sollte seinen Brokkoli vor dem Kochen kleinhacken und ca. 30-40 Minuten stehen lassen.
EPI-Nährstoffe Lebensmittel
Teepolyphenole Grüntee
Resveratrol Rotwein, Nahrungsergänzungsmittel
Genistein Soja
Butyrat entsteht bei der Fermentieren von Ballaststoffen durch Darmbakterien
Diallylsulphide (DADS) Knoblauch
EPI Toxine
Hingegen der positiven Auswirkungen von EPI-Nährstoffen auf unsere DNA, gibt es sog. EPI-Toxine, also Umweltgifte, die sich zwar ebenso wie nutrigenomische Modulatoren auf unsere Gene auswirken, allerdings mit weniger guten Eigenschaften. Diese EPI-Toxine können die Aktivität von epigenetischen Enzymen modellieren, Krankheiten hervorrufen und sogar an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Diese EPI-Toxine sind vor allem Umweltgifte, die in die Gruppe der „Endocrine Disrupting Chemicals“, also der Chemikalien, die unser Hormonsystem stören können, fallen. Und dazu zählen die großen Gegner wie BPA (BPS und andere, falls BPA-frei angegeben wird) und Phthalate, also Weichmacher, wie z.B. aus Plastikflaschen. Aber auch Pestiziden, Herbiziden, Fungiziden, Medikamente, Schwermetalle, Haushaltschemikalien aus Lotions, Cremes, Schminke, Rauchen u.v.m.
Diese sollten selbstverständlich so gut wie möglich gemieden werden, zudem sollte man sich einen regelmäßigen und vor allem aber angeleiteten Detox unterziehen. Vorsicht vor Detoxkuren, bei denen es zu einer Nährstoffrestriktion kommt. Während eines Detox brauchen wir viel Energie und Nährstoffe, um die einzelnen Detoxpfade zu unterstützen.
Nutrigenetik und SNPs
Während sich die Nutrigenomik damit befasst, wie Nährstoffe unsere Genexpression steuern, befasst sich die Nutrigenetik damit, wie unsere Gene die Absorbtionsfähigkeit von Nährstoffen beeinflusst. Das bedeutet, wenn wir Methylspender wie z.B. Folat aus grünblättrigem Gemüse zu uns nehmen, kann es dazu kommen, dass unterschiedliche Personen Folat unterschiedlich aufnehmen können. Dafür verantwortlich sind Veränderungen in der DNA Sequenz, die wir SNPs nennen, bzw. sog. Single Nucleotide Polymorphisms, kurz SNPs.
MTHFR
Besteht beispielsweise ein SNP im sog. MTHFR Gen, haben wir eine geringere Aktivierungsfähigkeit von Folat in die aktive Form Methylfolat. Da wir jeweils ein Gen von unserer Mutter und ein Gen von unserem Vater haben, können entweder beide oder auch nur eines dieses Genpaars verändert sein. Eine einfache Veränderung nennt man dabei heterozygot (siehe Tabelle 3, gelb gekennzeichnet), eine Veränderung beider homozygot. Im Falle eines MTHFR SNPs haben wir eine ca. 30% geringere Aktivierungsfähigkeit, falls ein heterozygoter SNP vorliegt, bzw. eine ca. 70% geringere Aktivierungsfähigkeit von Folat bei Homozygotie. Diese Informationen können wir uns heute in Form einer personalisierten Ernährungsberatung zu Gute machen und z.B. im Falle eines MTHFR SNPs empfehlen mehr grünblättriges Gemüse zu essen.
PEMT
Das Gen PEMT ist für die Produktion von Phosphatidylcholin (siehe Tabelle 3 — homozygot rot gekennzeichnet) verantwortlich. Liegt hier ein SNP vor, haben wir eine eingeschränkte Fähigkeit Phosphatidylcholin zu produzieren, den Nährstoff, der essentiell ist, für unsere Zellmembran. Wird unsere Zelle nicht ausreichend von der Membran geschützt, kann sie durchlässig werden, ähnlich unserem Darm, beim Leaky Gut Syndrom, wobei Gifte in die Zelle eindringen und die DNA schädigen können. Was empfehlen wir? Mehr Cholin über die Nahrung zuführen, wie z.B. aus Eiern.
APOE
Das APOE ist verantwortlich dafür, wie wir Cholesterin und Triglyceride aus unserer Blutbahn abtransportieren können. Liegt ein APOE4 Genotyp vor (siehe Tabelle 3 — rote Kennzeichnung), steht das in Korrelation damit, eher an Herzkreislauferkrankungen erleiden zu können. Dies bedeutet zwar nicht, dass wir auch daran erkranken, aber wir können die Info nutzen, um weniger gesättigte Fette aufzunehmen und eher eine mediterrane Küche zu bevorzugen.
Gentests
Testen kann man seine Gene heute bei den unterschiedlichsten Laboren, wie z.B. 23andme, Geneplanet oder Maximized Genetics. Beraten lassen, sollte man sich aber stets von einem Functional Nutrition Specialist bzw. einem Experten auf diesem Gebiet.
Fazit
Die Epigenetik liefert uns Werkzeuge, womit wir auf oberster Ebene eine personalisierte Ernährungsempfehlung geben können. Mit diesen Informationen wissen wir, dass unsere Gene kein starres Konstrukt mehr sind, sondern maximal beeinflussbar — durch die Epigenetik. Auch wenn wir eine genetische Prädisposition mitbringen, die Nutrigenomik kann diese überschreiben. Mit diesem Wissen können wir heute gezielte Ernährungsempfehlungen geben, Krankheiten vorbeugen und unsere Leistungsfähigkeit maximal steigern.
LIVE BETTER — Every Day!
Sebastian
Infos zu unseren Ausbildungen über Functional Nutrition und Epigenetik/Nutrigenomik findest du hier.
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